2.5.5. Spitalkirche

Die Baugeschichte
Um 1471 wurde die erste gotische Kirche an der heutigen Stelle gebaut, direkt neben dem 1468 errichteten Spitalgebäude. Dies war der dritte Kirchenbau in kurzer Zeit neben der Friedhofskapelle (ebenfalls um 1471) und der Pfarrkirche (1380–1447, 1480 vollendet).
1681 wurde ein neuer Glockenturm auf der Spitalkirche angebracht. Die Kosten betrugen 225 fl. 12 x. Die alten Glocken wurden in Neuburg umgegossen und durch das Vorrecht des Augsburger Bischofs auch dort geweiht. Der Spitalpfleger Hans Jörg Appel und der Spitalbaumeister brachten sie dorthin.
Der bisherigen überlieferten Auffassung, die Kirche sei durch einen Brand völlig zerstört worden, wird durch die neusten Befunduntersuchungen der Mauerwerke und der Entdeckung der Wandmalereien widersprochen. Bei diesem Brand wurden offensichtlich nur der Dachstuhl, die Fenster und geringe Teile der Grundmauern beschädigt.
Die Rechnungsbücher von 1718 weisen die Baukosten von 1111 fl. ¾ x. auf, die sich überwiegend auf Glaserarbeiten und Maurerarbeiten erstreckten, jedoch auch Arbeiten am Spital mit einschlossen. Eine 22-wöchige Bauzeit erscheint jedoch für einen Kirchenneubau relativ kurz. Die Rechnungen sind nicht detailliert aufgeschlüsselt und lassen keine exakteren Rückschlüsse zu. Die Inneneinrichtung wurde zu dieser Zeit völlig neu gestaltet.
Durch Blitzschlag wurde 1866 der Glockenturm zersplittert und im folgenden Jahr wieder aufgebaut, die Glocken wieder aufgehängt. Im Inneren wurde die Kirche zweimal restauriert, 1877 und 1922. Dem Zeitgeschmack entsprechend verschwand vom ursprünglichen Schmuck immer mehr, so dass sich das Kirchlein bis zur letzten Restaurierung 1997 in einfachem Kleid präsentierte.
1730 wurde das dreimalige Gebetläuten in der Spitalkirche nach Auseinandersetzungen des Spitalbenefiziaten mit dem Stadtpfarrer eingestellt mit der Begründung, dass in Rain dreimaliges Kirchenläuten zu viel sei.

 


 

 

Die Eingangstür zur Spitalkirche wird von einem eingemauerten Stein mit zierlichem Wappen geschmückt. Nach neuesten Forschungsergebnissen stammen die beiden Sandsteinhälften aus unterschiedlichen Zeiten. Die obere Hälfte wird um 1437 (Wappenstein Herzog Ludwig des Bärtigen, der sich ursprünglich wohl an einem der Stadttore befand), die später ergänzte untere Hälfte (mit der Nennung des Spital-Baujahres) wird nach 1471 datiert.

 

Der Innenraum
Von der Südseite betritt man die rechteckige Saalkirche, von einer flachen Stuckdecke über einer Kehle mit umlaufendem Gesims gedeckt. Die Stuckdecke ist verziert mit Akanthus, Blumen und Früchten. Die freitragende Empore im Westen ist über das Spitalgebäude zugänglich. An der nördlichen Westwand befindet sich ein inzwischen vermauerter Zugang zum Spitalgebäude mit noch originaler Tür.
Die Südseite wird durch drei, die Nordwand durch zwei korbbogige Fenster gegliedert, die mit geköpften Profilen stuckiert sind und von Engelsköpfen bekrönt werden. Am Rahmenstuck ranken sich Akanthusblätter. Der Boden ist mit Solnhofer Platten im Rosenspitzmuster belegt. Auf dem Weg zu den Altären findet man im Mittelgang zwei Grabplatten, 1704 und 1733 datiert. Der Hauptaltar und die beiden Seitenaltäre stehen um eine Stufe. erhöht.

 

Die Altäre
Der Heimatforscher Ludwig Wilhelm Fischer (1817–1890) vermerkte in seinen Notizen, dass bereits 1655 drei Altäre vorhanden waren. 1719 wurden von den Eheleuten Baumann die drei an der Ostwand aufgestellten heutigen Altäre zu einer Summe von 170 fl. gestiftet. Mehrere Renovierungsphasen hinterließen einen Überzug, der im Laufe der Jahre nachdunkelte – bei der jüngsten 1999 wurde die rötlich-braune „Marmorierung“ oder eine Holzimitation aus der Entstehungszeit hervorgeholt und konserviert, so dass die ursprüngliche barocke Farbigkeit wieder zum Vorschein kam.
Der Hauptaltar in der Mitte ist viersäulig aufgebaut. Die Säulen waren offensichtlich als Imitation von Lapislazuli gefasst: blau mit Silberadern und Goldlacküberzug. Die Flächen zeigen eine sehr lockere Marmorierung, die stellenweise auch eine Interpretation als Holzmaserierung zulassen könnte.
In der Nische thront die geschnitzte Dreifaltigkeitsfigur auf Wolken, in den Seiten befinden sich die unterlebensgroßen Holzfiguren der Hl. Ulrich und Benno. Im Auszug steht die hl. Regina, der Patronin der Mitstifterin. Die seitlichen Giebelstücke werden von Engelsfiguren umrahmt. An der Konsole der linken Säule ist folgende Stiftungsinschrift angebracht:

ZUR HÖCHSTEN EHRE DER HOCHHEILIGSTEN DREYFALTIGKEIT HAT HERR JOHANN GEORG BAUMANN DES INNERN RHATS ALHIER; UND FRAU REGINA; DESSEN EHEFRAU DIESEN ALTAR ALS SONDERBARE GUETTHETER VERFERTIGEN LASSEN ANNO 1719

An der rechten Konsole finden wir das Stifterwappen.
Die Seitenaltäre entsprechen im Aufbau in leicht vereinfachter Form der des Hauptaltares. Vermutlich sind sie 10 bis 15 Jahre jünger als der Hauptaltar, sie könnten auch erst viel später hierher gebracht worden sein. Der Aufsatz wirkt etwas unorganisch auf dem Hauptgeschoss der Seitenretabel.
Im nördlichen Seitenaltar steht in der Altarnische eine Immaculata, im Auszug die Statuette der hl. Anna Selbdritt, als Bekrönung das Herz Mariä. Der südliche Seitenaltar beherbergt die Figuren des hl. Josef und der hl. Ursula, bekrönt durch das Herz Jesu. Auf den Mensen beider Altäre befinden sich je zwei Reliquienpyramiden, aus vergoldetem Holz in der Mitte des 18. Jahrhunderts angefertigt. Die Ausstattung der Altäre entspricht dem Formenschatz des 17. Jahrhunderts.

 

Die Gemälde
Unter der Empore wurden die Kreuzwegtafeln aus dem 19. Jahrhundert angebracht. Die Öldrucke auf Papier und auf Leinwand kaschiert hingen vor der letzten Restaurierung schlecht einsehbar über Mannshöhe seitlich zwischen den Fenstern.
An der Nordwand über der Sakristeitüre hängen die beiden Tafelgemälde „Beschneidung Christi“ und „Anbetung des Jesuskindes durch die hl. Drei Könige“. Die Gemälde in Ölfarbe nach Nadelholztafeln stammen gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Es handelt sich hier möglicherweise um Altargemälde der verloren gegangenen Ausstattung vor 1719.
Ebenfalls über der Sakristeitür befindet sich die „Verheißung Christi am Ölberg“. Durch einen extrem verbräunten Firnisüberzug konnte das Bild nicht mehr richtig erkannt werden, weshalb es fälschlicherweise als „Himmelfahrt“ bezeichnet wurde. Bei der Restaurierung konnte nicht nur die originale Farbigkeit wiederhergestellt werden, es wurde auch die Signatur „ISH, 16“ entdeckt. Das in Ölfarbe auf Leinwand gearbeitete Bild entstand in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Zierrahmen mit Wellenleisten aus der Zeit gehörten jedoch nicht ursprünglich zu dem Gemälde, da dieses, um es in den Rahmen einzupassen, um ca. 8 cm gekürzt wurde.

 

Die Skulpturen
An der nördlichen Seitenwand befindet sich die Skulptur eines Christus an der Geißelsäule aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die Südwand zieren die Büsten der Hl. Rochus und Wendelin. Beide sind in der Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden und zeigen heute eine Fassung des 19. Jahrhunderts.

             

Das Laiengestühl
Das Gestühl aus Eichenholz mit Schnitzereien stammt aus der Zeit um 1720. Untersuchungen ergaben eine ursprüngliche Fassung in rötlicher Lasur auf den Nadelholzflächen von Rückwand, Sitzfläche, Ablage, Füße, Kniebänke, Wangen und Doggen, und eine bräunliche Lasur auf den Eichenholzflächen der Schnitzereien. Bei der Renovierungen 1969 wurden die klappbaren Kniebänke mit schwarzem Kunstlederbezug versehen.
Die Originalfassung wurde dreimal übermalt. Die dritte Fassung war ein einheitlicher nachgebräunter Anstrich, der im Zusammenhang mit der Überfassung der Altäre im letzten Jahrhundert entstanden ist. Bei der Restaurierung wurde versucht, die ursprüngliche Farbigkeit wiederherzustellen.

Die Wandmalereien
Im Zuge der Sanierungsarbeiten entdeckte man bereits 1995 eine Malerei an der Nordwand. Hierauf folgten 1998 umfangreichere Untersuchungen in der gesamten Kirche, die zahlreiche weitere Bemalungen aus unterschiedlichen Zeiten freilegte.
Die Malereifunde an den Wänden erlauben folgende Datierungen: Die untersten Malschichten stammen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert, also mit Sicherheit aus der Erbauungszeit der Kirche um 1470. Weitere Malereireste wurden während der jüngsten Restaurierung bei der Entfernung von Kalkfarbenanstrichen an der Ost- und der Westwand entdeckt und sind der Zeit um 1600 zuzuordnen.
Die heute freigelegten und restaurierten Malereien an der Nordwand (Baldachin) stammen aus der Barockzeit, ebenso wie die weitere Ausgestaltung der Raumschale, der Decke mit dem Stuck und den Fenstern, den Altären und den Kirchenbänken. Diese Neugestaltung des Kirchenraumes und der Ausstattung sind den Wiederherstellungsarbeiten (nach dem Brand) nach 1718 zuzuordnen.
Von der Ausstattung, Einrichtung und Bemalung der frühen Kirche sind uns keine Zeugnisse erhalten. Von der frühesten Ausmalung wurde an der Westwand ein rundes, rötliches Ornament, vermutlich ein Apostelkreuz, freigelegt. Weitere Farbspuren, die wieder unter Putz gelegt wurden, entdeckte man an der Ecke von Emporenbrüstung und Nordwand, sowie unter den jetzt freigelegten Malereien von 1600 zwischen den Altären.
Die Nordwand zeigt einen Baldachin aus der Zeit von 1718, der als Hintergrund für eine Skulptur oder eine ganze Gruppe, die nicht mehr erhalten ist, diente. Darunter verbergen sich Farbschichten um 1600, die Ziegelwände stammen von 1470.
An der nördlichen Ostwand kam unter den Putzschichten eine Figur in Schrittposition zutage, vermutlich eine Heiligenfigur in Seccomalerei oder Mezzofresko-Technik gemalt. Im Sockel ist folgende Inschrift sichtbar:

 

Und Ein Ewiges Leben Amen
F. Anna Schadin Docttorin In Augsburg 12

 

 

 

Bei der Freilegung waren lediglich die Füße der dargestellten Figur nachweisbar. Die restliche Fläche der Darstellung ist verloren.
Die südliche Ostwand war ebenfalls mit einer überlebensgroßen Figur in Schrittposition bemalt, deren Größe unter das Gesims ragen müsste. Auf halber Höhe bricht auch hier das Bildnis ab. Oberhalb der Schriftkante sind nur noch Füße erkennbar gewesen. Die Malerei oberhalb der Füße ging wahrscheinlich bei der Behackung 1718 verloren, denn oberhalb ließen sich ausschließlich Farbspuren der Bemalung von 1470 nachweisen.
Die Fußstellung beider Malereien weisen Schrittposition über Stufen auf. Aufgrund der geringen Überreste ist eine Deutung bisher nicht möglich. Die Bildnisse aus dem 16. Jahrhundert waren Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Mode gekommen. Die Kirche sollte neu verputzt und gestrichen werden. Zur Haftung des Neuputzes wurden die Wände in unregelmäßigen Abständen aufgehackt. Dadurch wurden die ursprünglichen Malereien stark beschädigt, was eine Restaurierung enorm aufwendig gemacht hätte.
Gegen eine völlige Freilegung sprach die offensichtliche Größe der Figuren: der Kopf müsste bis unter das Gesims hinaufragen und die Darstellung an der südlichen Ostwand ist unvollständig erhalten. So entschloss man sich, als Dokument lediglich die Inschriften freizulegen.

Zu den Inschriften
Die an der nördlichen Ostwand erwähnte Anna Schadin war laut Fischer eine geborene Prucklacherin, die 1644 ins Spital eine Messe stiftete. Ob es sich bei dem Ehemann um den in Augsburg zeitweise sesshaften Rudolph Schad von Belmonte (auch Bellimont), Doktor beider Rechts, handelte, dessen 2. Ehefrau Anna war, ist nicht eindeutig zu belegen. Die Zahl 12 der Inschrift gibt bisher noch Rätsel auf, da sie weder im Zusammenhang mit belegten Stiftungen im Spital, noch mit anderen gefundenen Jahreszahlen im Verbindung mit Anna Schad zu bringen ist.
Die südliche Ostwand lässt auf Seccomalerei den Text „EGO SVM, VIA VERITAS ET VITA“ erkennen – „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ sowie eine Namensinschrift für Wilhelm Schönkind, Innerer Rat, mit der Jahreszahl 1628. Schönkind ist 1623 bis 1624 als Bürgermeister von Rain nachweisbar. Offensichtlich hat er sich durch eine Stiftung in der Spitalkirche ein Denkmal gesetzt.

Die Grabsteine
Im Mittelgang befindet sich der Grabstein des Benefiziaten Balthasar Harschner, verstorben am 16. November 1733. Die quadratische Fußbodenplatte aus Solnhofer Stein ziert ein Totenkopf. Harschner war von 1704 bis 1733 Inhaber der Spitalpfründe. Bereits 1732 hatte er zugunsten seines Bruders Georg Harschner resigniert, dieser starb jedoch 1733 noch vor Balthasar.
Rechts neben der Sakristeitür ist ein zweiter Grabstein in die Wand eingelassen. Er erinnert an Franz Rupert Forster, Benefiziat von 1745 bis 16. Februar 1768.
Eine 39 cm große, quadratische Fußbodenplatte, ebenfalls aus Solnhofer Stein, trägt die Aufschrift „Michael Kleber, Benefiziat, + 16.IX.1704“. Ein weiterer, größerer Stein mit den Maßen 85 x 41 cm trägt dieselbe Inschrift mit einem zusätzlichen Kelch.

 

       

 

Leicht gekürzt entnommen aus: Edith Findel, Das Heilig-Geist-Spital in Rain am Lech – Geschichte und Entwicklung, Festschrift zum Abschluss der Sanierungsarbeiten, Rain 1999.

Zu dem Wappenstein am Eingang der Spitalkirche vgl. Theodor Straub, Der Wappen- und Gedenkstein Herzog Ludwigs des Bärtigen in Rain am Lech, in: Markus Würmseher (Hrsg.), Rain am Lech im Mittelalter, Rain 2007, S. 103–115.

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