6.2.1. Pfarrei und Kirche St. Quirin
Ansicht der Staudheimer Pfarrkirche von Süden
Die Ortsgründung Staudheims dürfte zwischen 650 und 750 n. Chr. stattgefunden haben; man nimmt an, dass sich der Name „Staudheim“ von einem Gestüt ableitet, in dessen Nähe später die Siedlung gebaut wurde. Die Ortschaft und Pfarrei (in Form des Patronatsrechtes) gehörten ursprünglich dem Benediktinerkloster Tegernsee, die Weihe der Kirche auf den Namen des heiligen Quirin erinnert noch heute daran. Die Reliquien des heiligen Quirin, der in Rom das Martyrium erlitt, kamen um 765 in das 746 neu gegründete Kloster Tegernsee, von dort aus verbreitete sich dessen Verehrung in Bayern.
Zwei urkundlichen Notizen aus dem 11. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass das Kloster Tegernsee seinen Besitz an Staudheim dem Herzog Arnulf von Bayern (907–937) abtreten musste. Um 1417 wird das Patronat im Salbuch des Herzogs Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt der Familie Rindsmaul von Straß zugeschrieben. Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert lag das Patronatsrecht bei den Gutsherren von Unterbaar. Genannt werden 1516 Riederer, 1605 Muggenthaler, 1704 von Höhenkirchen, 1822 die Freiherren von La Fabrique und 1871 der Freiherr von Moreau. 1928 erklärte das Bistum Augsburg das Patronatsrecht auf Anfrage für aufgehoben (vorausgegangen war der Konkurs der Holzhandlung Himmelsbach, die zuletzt das Unterbaarer Schloss besessen hatte). Im selben Jahr am 26. Dezember wurde Martin Demharter, der die Pfarrei Staudheim zuvor als Pfarrvikar geleitet hatte, als Pfarrer installiert.
Blick ins Innere der Staudheimer Kirche
Der älteste Teil der Pfarrkirche ist der 17,5 Meter hohe Turm, der ungefähr um das Jahr 1300 errichtet wurde. Der heutige Chorraum und der ältere Teil des Langhauses (bis zur Emporenbrüstung) entstanden später, in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Dass ein Vorgängerbau dazu existiert hat, ist also wahrscheinlich. Die farbenfrohen gotischen Fresken im Chor gehören zur Erstausstattung der Kirche. Im Rahmen einer Untersuchung zur Renovierung Anfang der 1990’er Jahre hat sie Kirchenmaler Blöchel auf ungefähr 1420 datiert. Wer die eindrucksvollen Bilder geschaffen hat, bleibt im Dunkeln. Die Farbigkeit der Bilder zeichnet sich durch Beschränkung aus, denn eigentlich kommen nur drei verschiedene Farben in ihnen vor (verschiedene Rottöne, Ocker und Grün), die aber immer wieder verschieden kombiniert werden. Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu zahlreichen Beschädigungen (vor dem Überputzen eingeschlagene Löcher) sowie zu Verlusten durch die Änderung des Chorbogens und der Fenster bei der Barockisierung der Kirche. Am besten wiederhergestellt wurden die sechs Fresken an der Südwand des Chores, die allesamt Szenen aus dem Weihnachtsfestkreis darstellen. Sie zeigen die Geburt Christi, die Verkündigung an die Hirten, den Betlehemitischen Kindermord (nur noch wenig erhalten), die Flucht nach Ägypten und den 12-jährigen Jesus als Lehrer im Tempel.
Geburt Christi Verkündigung an die Hirten
Flucht nach Ägypten Der 12-jährige Jesus lehrt im Tempel
Die erste der sechs Szenen mit einer Architekturdarstellung war bisher nicht gedeutet. Da die Szenen aber Ereignisse der Kindheit Jesu in der richtigen zeitlichen Abfolge darstellen, kommt nur ein Ereignis vor der Geburt Jesu in Frage. Oben links im Bild ist der Rest eines Spruchbandes zu erkennen, dessen Text offenbar auf „mat“ oder „niat“ oder „inat“ endet. Wo kommt in der lateinischen Bibel wörtliche Rede mit diesem Ende in der „Weihnachtsgeschichte“ vor? Man kommt nur auf den Satz Elisabeths, als Maria sie besucht: „Unde hoc mihi ut mater Domini mei ad me veniat – Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt“ (Lk 1,43, wobei das „veniat“ nach hinten gestellt wurde). Die Szene dürfte also mit ziemlicher Sicherheit die Begegnung von Maria und Elisabeth dargestellt haben.
Nordwand: Nicht Schlüsselübergabe an Petrus, sondern Apostelcredo
An der Innenseite des Chorbogens findet man sechs stark beschnittene Bilder: Juden bringen Gold für das Goldene Kalb, Moses übergibt die Gesetzestafeln, Moses empfängt die Gesetzestafeln, die heiligen drei Könige (2 Mal) und eine nicht mehr zu identifizierende Szene.
An der Nordwand befinden sich drei Fresken, die gedeutet werden als Moses (?), Schlüsselübergabe an Petrus (siehe dazu unten), heiliger Martin und heiliger Bartholomäus, die im Kunstdenkmälerband genannte „Verkündigung an Maria“ existiert nicht.
Was als „Schlüsselübergabe an Petrus“ gesehen wurde ist wohl eher etwas Anderes: Eine „Übergabe“ findet auf dem Bild genau betrachtet nicht statt. Man beachte stattdessen den Text unter dem Bild: Der Anfang ist lesbar, es heißt „Ich g(e)laube“ – also ist dasselbe dargestellt wie in der Rainer Stadtpfarrkirche (vgl. hier), nämlich ein „Apostelcredo“, bei dem jeder Satz des Glaubensbekenntnisses jeweils einem Apostel zugeordnet wird. Die Zuordnung der Sätze zu den Aposteln schwankte freilich, aber Petrus hatte immer die erste Stelle und den ersten Satz: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Darum ist hier Gottvater als Schöpfer dargestellt. – Diese Deutung bestätigt sich auch noch einmal von anderer Seite: Das Apostelcredo endet nämlich mit dem Fresko links hinter dem Altar mit den beiden Sätzen „Urstens dez leybs und das Ebyg leben. Amen. S. matthüas“, das heißt „Auferstehung des Leibes und das ewige Leben. Amen.“ mit der Zuordnung zu dem im Bild auch dargestellten „letzten“ (weil als Ersatz für Judas nachgewählten) Apostel Matthias.
Am östlichen Abschluss des Chores, heute hinter dem Altar verborgen, findet man außerdem noch eine (schlecht erhaltene) Darstellung vom Tod Mariens. Übrigens wurden 1989 bei der Befundung von Kirchenmaler Blöchl nicht nur im Chor, sondern auch an den Wänden des Kirchenschiffes Fresken gefunden, die aber nicht freigelegt wurden, um spätere Bemalungen nicht zu zerstören.
„Auferstehung des Leibes“ und Apostel Matthias am östlichen Chorabschluss
Aber sehen wir uns noch etwas weiter in der Kirche um. Die Ausstattungsgegenstände stammen aus ganz unterschiedlichen Zeiten: Die ältesten Stücke sind der Taufstein vom Ende des 15. Jahrhunderts und eine Holzfigur des heiligen Sebastian (an der nördlichen Seitenwand), die auf „um 1480“ datiert wird.
Heiliger Sebastian
Der Hochaltar mit dem Drehtabernakel (ein ähnliches Modell findet man etwa in Niederschönenfeld) stammt in seiner ursprünglichen Substanz aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Figuren in diesem Bereich sind nicht viel später entstanden (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts). Seitlich auf den Konsolen des Altars sind die heilige Christina mit Mühlrad und die heilige Agatha (allgemein als Märtyrerin mit Palme in der Hand dargestellt), an den Wänden findet man die beiden Schutzpatrone der Bauern und des Viehs, den heiligen Wendelin als Hirte mit Schippe und Hut und den heiligen Leonhard als Benediktinerabt (der Legende nach gründete und leitete er das Kloster von Noblat bei Limoges).
Die Heiligen neben und am Hochaltar: Hl. Wendelin, hl. Christina, hl. Agatha, hl. Leonhard
Die beiden Seitenaltäre sind im 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffen worden. Sie sind Maria (nördlicher/linker Altar) und dem heiligen Josef (südlicher/rechter Altar) geweiht. In der Staffel (unter der Hauptfigur) sind ältere Darstellungen: Eine Pietà aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts beziehungsweise Anna Selbdritt (das heißt die heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und ihrem Enkel Jesus) aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Beide sind einmal neu gefasst worden.
Marienaltar Josefsaltar
Pietà Anna Selbdritt
Ende des 17. Jahrhunderts erfolgten im Rahmen der Barockisierung der Kirche starke Eingriffe in die Bausubstanz: Das Kirchenschiff wurde erhöht, der Chorbogen und die Fenster wurden verändert. Die Stuckdekorationen stammen aus dieser Zeit: Die Fenster wurden mit Muscheln, Kartuschen und Akanthusranken verziert, im Chor wurde (spiegelverkehrt) ein Monogramm Christi, im Schiff ein Monogramm Mariens angebracht.
Decken-Stuck und die beiden Monogramme im Langhaus und im Chor
Auch die Kanzel mit dem polygonalen Korpus und den aufgemalten Evangelisten stammt vom Ende des 17. Jahrhunderts.
Kanzel
Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes an der Kanzel
Weiter findet man in der Kirche Epitaphe für verschiedene Staudheimer Pfarrer. Das älteste ist links neben dem Hauptaltar angebracht, die Umschrift widmet es Paulus Lang von Pöttmes (um 1550). Die drei übrigen Epitaphe stammen aus der Zeit um 1700: eines für Urban Loder († 1693), ein unleserliches (Kelch und Hostie sind noch erkennbar, um 1700) und eines für Ferdinand Muggenthal († 1726).
Epitaph für Pfarrer „Paulus Lang de Petmes“
Nach diesem „Rundblick“ in der Kirche noch etwas zur Geschichte des Baus und der Pfarrei ab dem 19. Jahrhundert: Etwa 1830 bis 1840 wurde das Schiff von 8,50 Meter auf 13,24 Meter verlängert (der ganze Bereich der heutigen Empore). Dazu wurde die Westfassade abgebrochen, für die Ergänzung wurden Bruchsteine verwendet. Meister Thomas Schopper von Rennertshofen wurde für die Arbeiten ausdrücklich bestellt. Die Baumaßnahme lief aber nicht ganz reibungslos, da die Staudheimer nicht auf die nötigen Genehmigungen warteten, was aus einem am 26. April 1834 datierten Beschwerdeschreiben der Bauinspektion Neuburg an das Landgericht in Rain dokumentiert ist.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Kirche eine Folge von Renovierungsarbeiten. Sie begannen 1883 mit dem Auswechseln von 2000 Dachplatten, nach einem Regenschaden 1886 drohte aber die Decke herabzufallen und wurde mit festen Bolzen unterstützt. 1896 wurde der Altar renoviert. 1904/5 überlegte man ob man den Kirchturm verputzen soll, entschied sich aber dann für eine gegenteilige Lösung und ließ stattdessen den Putz vom Turm vollständig entfernen. 1913 wurde eine Orgel angeschafft. 1925 begann eine weitere Außen- und Innenrenovierung der Kirche. 1933 wurden dabei die oben beschriebenen wiederentdeckten Fresken von dem Burgheimer Malermeister Müller freigelegt. Ein nicht mehr bekannter Kirchenmaler hat sie 1939 teilweise rekonstruiert und konserviert. Weitere Freilegungen fanden 1948 statt.
1945 trafen zwei Artilleriegeschoße die Kirche. Nicht nur Dach und Chor auch der Hochaltar selbst mit dem Altarbild war betroffen. Das Abschlussbild (Heiligste Dreifaltigkeit) und zwei kleine Bilder rechts und links (Jesus und Maria) wurden vernichtet. Der Altar wurde von Otto Karmann unter Verwendung alter Teile neu aufgebaut, das schwer beschädigte Altarblatt wurde von Johann Pfohmann wiederhergestellt.
1952 wurden drei neue Glocken angeschafft, denn das Geläut hatte man im Krieg (bis auf das Arme-Sünder-Glöcklein) abgeben müssen. Die Muttergottesglocke (500 kg, Ton Fis) und die Quirinusglocke (400 kg, Ton A) wurden neu gegossen, die reich verzierte Heilig-Kreuz-Glocke (350 kg, Ton H) war bereits 1780 von Josef Ignatius Daller in München für die Gemeinde Hohenfurch gegossen worden. Am 13. Juli 1952 wurden sie geweiht, am 19. Juli erklangen sie zum ersten Mal. Die Arme-Sünder-Glocke wurde für die Neuanschaffung in Zahlung gegeben.
Nach dem Tod von Pfarrer Martin Demharter 1978 wurde die Pfarrei Staudheim von der Stadtpfarrei Rain vikariert. 2012 wurde die Pfarreiengemeinschaft Rain mit den Pfarreien Rain, Genderkingen, Feldheim, Niederschönenfeld, Staudheim gegründet, der Stadtpfarrer von Rain ist Pfarradministrator für die vier übrigen Gemeinden und leitender Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft.
Bei der Renovierung 1991/2 unter Stadtpfarrer Menzinger wurde der Hochaltar noch einmal ausgebessert. Außerdem fand eine Grunderneuerung der Pfarrkirche statt: Im Westen wurde ein Vorbau, im Norden eine neue Sakristei errichtet. Der Eingang der Kirche (bis dahin unterhalb der Empore in der Südwand) wurde in die Mitte der Westmauer und in den Vorbau verlegt. Langhausbestuhlung, Chorgestühl und Beleuchtung wurden neu eingerichtet, die alten Chorschranken wurden für den Volksaltar, den Ambo und die Osterkerze weiterverwendet.
Um statische Probleme des Dachstuhls zu beheben, wurden 2014 eine „Notsicherungsmaßnahme“ durchgeführt: Auf Höhe des Chorbogens wurde ein Anker in das Gemäuer eingebracht. Auch ein Teil der Kreuzwegstationen im Inneren der Kirche wurde 2014 restauriert.
Die Staudheimer Pfarrkirche zeigt sich heute als eine helle und freundliche kleine Kirche in überwiegend barockem Stil.
Eine ausführliche Darstellung der Geschichte Staudheims und seiner Kirche finden sie hier auf den Seiten der Stadt Rain.
Literatur
• Rainer Wilhelm, Die Wandmalereien von St. Quirin in Staudheim – mittelalterliche Predigt in Farbe (Siehauf 40, Nov. 2004)
• Adam Horn, Werner Meyer (Bearb.), Die Kunstdenkmäler von Schwaben. V. Stadt- und Landkreis Neuburg an der Donau, München 1958 (= Die Kunstdenkmäler von Bayern. Regierungsbezirk Schwaben. V. Stadt- und Landkreis Neuburgan der Donau), S. 708–711
• Bruno Bushart, Georg Paula (Bearb.), Schwaben, München 1989 (= Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern III: Schwaben), S. 961
Kruzifix (Anfang des 18. Jh.) in einer Rundbogennische an der äußeren Südostwand des Chores
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