3.2.7. Kanzel
Die Kanzel stammt aus der Zeit um 1790 (wie der Hochaltar). Die in Ocker und Rot gehaltene Marmorierung passt sich den Seitenaltären an. An der Rückwand befindet sich eine als Relief ausgeführte Christusfigur Oben auf dem Schalldeckel finden sich die Symbolfiguren der vier Evangelisten. Das ist an dieser Stelle ein häufiges Motiv, denn die Kanzel diente ja der Predigt, sprich der Auslegung des Wortes Gottes, das insbesondere von den Evangelisten überliefert ist. Drei Figuren sitzen am Rand des Schalldeckels: Löwe, Adler und Stier für Markus, Johannes und Lukas. Der Engel als Symbol des Evangelisten Matthäus ist größer ausgeführt und bildet in der Mitte den krönenden Abschluss der Kanzel. Der Posaunenengel hat ein Spruchband an seinem Instrument befestigt „Jesus qui vocatur Christus – Jesus, der Christus genannt wird“. Das ist der letzte Satz aus dem Stammbaum Jesu nach Matthäus (Mt 1,16). Damit wird ausgesagt, dass die Menschwerdung Gottes in Jesus die zentrale Botschaft letztlich aller vier Evangelien ist. Um den zitierten Satz richtig zu verstehen, muss man auch wissen, dass Christus kein Eigenname ist, sondern die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“, das heißt „Gesalbter“. Jesus wird dadurch also mit dem von Israel erwarteten, von Gott gesandten Retter identifiziert. Das Evangelium ist auf diese Weise „Frohe Botschaft“, das heißt eine Heilsbotschaft. Sie ist in die ganze Welt hinausgegangen und hat die Welt aufhorchen lassen – auch das mag mit der Posaune ausgedrückt sein. Es ist eine recht gelungene (und glaube ich, nicht so häufige) Kombination von zwei Symbolwelten, denn in der Regel wird man einen Posaunenengel eher mit dem Jüngsten Gericht (so in 1 Kor 15,52 und 1 Thess 4,16) oder mit der Offenbarung des Johannes in Verbindung bringen. Letztere beschreibt eine Serie von sieben Visionen (Offb 8,2 – 11,15), die jeweils dadurch eingeleitet werden, dass ein Engel ein Posaunensignal gibt. Beim letzten Posaunenschall heißt es: „Der siebte Engel blies seine Posaune. Da ertönten laute Stimmen im Himmel, die riefen: Nun gehört die Herrschaft über die Welt unserem Herrn und seinem Gesalbten; und sie werden herrschen in alle Ewigkeit“ (Offb 11,15). In Christus tritt Gott seine Herrschaft an, man könnte auch sagen, in ihm kommt das Reich Gottes (Mt 12,28). Vollends sichtbar und vollendet wird dieses Reich erst am Ende der Welt sein. In der Symbolik des Posaunenengels ist damit im Grunde genommen die christliche Verkündigung vom Kommen Christi bis zum Ende der Zeiten versinnbildet.
Symbol des Evangelisten Johannes auf dem Schalldeckel
„Verbum caro factum est – das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14)
Unten am Korpus der Kanzel sitzen Putten mit Symbolen der drei göttlichen Tugenden: Glaube (Kreuz), Hoffnung (Anker) und Liebe (Herz). „Tugend“ ist ein Wort, das heute vielleicht recht bieder klingt. In der antiken und mittelalterlichen Ethik war es dagegen ein ganz zentraler Begriff. Er bezeichnet Eigenschaften, die den Menschen befähigen, das Gute zu tun. Die Antike ordnete alle Tugenden jeweils einer der vier Grundtugenden („Kardinaltugenden“) Klugheit, Gerechtigkeit, Maßhalten und Tapferkeit zu. Das christliche, in der Lehre Jesu verwurzelte Wertesystem ergänzte sie um die drei göttlichen Tugenden. Im Hohenlied der Liebe zählte Paulus sie auf: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor 13,13). „Göttliche“ oder „theologische“ Tugenden heißen sie nicht, weil es besondere Eigenschaften Gottes wären, sondern weil sie sich als menschliche Tugenden auf Gott richten (Glaube an Gott, Hoffnung auf Gott, Liebe zu Gott) und weil sie mehr als die anderen Tugenden nicht vom Menschen durch Übung erworben, sondern von
Gott geschenkt werden. An der Kanzel haben sie ihren besonderen Platz, denn genau das ist die Aufgabe der Verkündigung: den Menschen zu helfen, die Botschaft der Evangelien in ihr Leben und ihr Tun umzusetzen. In Glaube, Hoffnung und Liebe zeigt sich das Erlöst-Sein, von dem die Evangelisten sprechen.
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